Foto: Wolfgang Lutz
Von Robin Halle
„Unsäglich, unprofessionell, eine Farce“ - der Biberacher Bundestagsabgeordnete Josef Rief (CDU) wird emotional, wenn er über das Verhalten der Ampelregierung in Bezug auf die Haushaltssperre spricht. Der „Schwäbischen Zeitung“ gibt er dieses Interview.
Herr Rief, wie ist die Stimmung in Berlin?
Es ist unsäglich, wie sich die Ampel seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verhält. Das hat mit Kollegialität nichts zu tun. Wir erleben nur noch halbgare Tricksereien im Tagesgeschäft.
Was meinen Sie konkret?
Wir hatten bereits vorige Woche beantragt, die Haushaltsberatungen abzusagen. Das ist zunächst nicht geschehen. Jetzt will die Ampel irgendwas anderes beraten, damit nicht auffällt, dass alles wie ein Kartenhaus zusammengefallen ist. Man wird fieberhaft versuchen, irgendwelche Themen zu finden, um Normalität vorzutäuschen. Das ganze Verfahren ist eine Farce! Wir hatten auch darauf hingewiesen, dass die Bereinigungssitzung aufgrund des ausstehenden Urteils verschoben werden müsse. Die Ampel hat sie trotzdem durchgezogen. Letzten Endes sind wir umsonst bis morgens um halb fünf zusammengesessen, weil keiner sagen konnte, was Bestand hat. Es sind riesige Artikel erschienen, in denen die Ampel-Kollegen erzählt haben, was sie alles gut machen und wo Kürzungen zurückgenommen werden. Sie hatten ja Spendierhosen an, wie immer. Jetzt hat das Verfassungsgericht drei schallende Ohrfeigen verteilt. Die Grundlagen der ganzen Finanzierungen und Versprechungen waren nicht gegeben.
Wie sollte sich die Regierung jetzt verhalten?
Die Kollegen müssten sofort vor die Presse treten und sagen: „Wir nehmen folgende Beträge aus den Subventions- und Investitionsfonds raus!“ Sie wären auch gut beraten, den Haushaltsansatz von 2023 für das Jahr 2024 zu übernehmen - ohne die Sonderfonds. Dann wären zumindest einige Projekte finanziert. Wenn das nicht geschieht, habe ich Angst, dass die Realwirtschaft durch dieses unprofessionelle Verhalten mit voller Wucht getroffen wird.
Die Regierung versucht, die aktuelle Lage als Notlage auszuweisen. Dann könnten weiterhin Fördergelder fließen. Was halten Sie davon?
Gar nichts. Wenn wir jeden Tag eine Notlage erfinden, können wir alles vergessen. Die Notlage ist die Regierung! Das Hauptproblem ist, dass diese Regierung nicht mit Geld umgehen kann.
Sie sind Experte für den ländlichen Raum. Welche Projekte sind 2024 konkret gefährdet?
Die Tierwohl-Milliarde. Der Landwirtschaftsminister hat es nicht geschafft, in diesem Jahr die geplanten 150 Millionen Euro für Tierwohl auszugeben. Projekte für nächstes Jahr sind gesperrt. Im kommenden Jahr stehen wieder 150 Millionen Euro zur Disposition. Viele Landwirte können nicht seriös planen.
Mit der Milliarde sollte unter anderem der Bau moderner Ställe subventioniert werden, um die Tierhaltung zu verbessern.
Genau. Die Ställe sind etwa doppelt so teuer wie herkömmliche Ställe, die man in der Europäischen Union baut. Mit Spielmöglichkeiten für die Tiere, verschiedenen Klimazonen und so weiter. Stallbau, Heizung und Betrieb sind allerdings teuer. Jetzt verschieben viele Landwirte diese Investitionen aufgrund der unsicheren Lage.
Welche Projekte im ländlichen Raum sind noch gefährdet?
Dorferneuerungsmaßnahmen wackeln, die landwirtschaftliche Förderung - eigentlich alles, was 2024 geplant war. Die Ampel schaut, wie sie ihre Kröten zusammenkratzt. Sie kann nur sparen oder die Steuern erhöhen. Eine andere Lösung gibt es nicht.
Sind Neuwahlen eine Lösung?
Wenn sich die Ampel nicht auf einen verfassungsmäßigen Haushalt einigt, sind Neuwahlen die erste Option. Die Union schaut bei weiteren Tricksereien nicht zu. Ich werde meine Hand nicht für halbgare Tricksereien erheben! Es liegt ja in der Luft, dass für 2024 eine Art Notlage ausgerufen wird, um weiter auf Pump zu leben. Vom Geld der Steuerzahler. Das geht einfach nicht.
© Schwäbische Zeitung, Ausgabe Biberach vom 25.11.2023