Norbert Lins bleibt im Europaparlament
Europaabgeordneter aus Pfullendorf würde von der Leyen auch zusammen mit Italiens Postfaschisten wählen
Von Paul Martin
Kreis Ravensburg
Norbert Lins wird auch dem neuen Europaparlament angehören. Der CDU-Mann aus Pfullendorf, der in Horgenzell im Kreis Ravensburg aufgewachsen ist, hatte einen relativ sicheren Listenplatz. Und aus der Heimat kam am Wahltag Rückenwind: Die CDU konnte im Kreis Ravensburg zulegen und kam auf 36,5 Prozent.
Zugelegt haben auch die russlandfreundlichen Populisten von AfD und BSW. Die größten Verluste haben die Grünen. Ihre 25,6 Prozent aus dem Jahr 2019 hat die Öko-Partei schier halbiert und kam auf 13,3 Prozent. Die Wahlbeteiligung im Landkreis lag bei 66,5 Prozent.
Wer in den vergangenen Wochen durch das südliche Württemberg gefahren ist, kam an ihm nicht vorbei: Kaum ein Dorf, indem nicht Norbert Lins' Konterfei von den Laternen-Masten grüßte. Am Wahlabend gibt der CDU-Wahlsieger im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ zu: „Ich habe knapp 4500 Plakate aufhängen lassen.“ Die Strategie dahinter: Lins konnte sich erfolgreich als „einer von hier“ in Szene setzen. Sozusagen als Direktkandidat für die Region, obwohl es bei der Europawahl gar keine Wahlkreise oder direktgewählte Abgeordnete gibt. „Formal bin ich auf einer Landesliste“, erklärt Lins. „Aber die CDU hat klar auf Regionalisierung gesetzt, und das war richtig.“ In seinem Bereich, dem Regierungsbezirk Tübingen, habe die CDU überdurchschnittlich zugelegt.
Ansonsten war die Wahl aus Lins' Sicht schlicht „eine klare Klatsche für die Ampel.“ Er wiederholt mehrmals: „Als CDU sind wir auf einem guten Weg.“ Am Ziel sei man noch nicht. „Wir müssen noch weitere Wähler gewinnen, gerade im bürgerlich-konservativen Lager.“ Auch wenn die AfD in Oberschwaben, wie Lins sagt, „traditionell“ unter ihrem Bundesschnitt abgeschnitten habe.
Für den Wahl-Pfullendorfer geht es also weitere fünf Jahre nach Brüssel und Straßburg. Hier steht in den nächsten Wochen die Wahl des Kommissionspräsidenten an.
Norbert Lins' klare Favoritin ist wenig überraschend die CDU-Amtsinhaberin Ursula von der Leyen. Sie würde er am liebsten zusammen mit den Sozialdemokraten und den Liberalen wählen. Wenn das nicht klappt, „muss man sich umschauen“, so Lins. „Es gibt zwei Fraktionen rechts von uns. Ganz rechts ist Frau Le Pen, bei der kürzlich die AfD rausgeflogen ist. Mit denen machen wir nichts.“ Abseits dieser Gruppe gibt es noch die sogenannte Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer. „Dort gibt es Rechtskonservative, die unsere drei Kriterien (Pro-Europa, Pro-Rechtsstaat, Pro-Ukraine) erfüllen.“ Hier ordnet Lins auch die italienischen Postfaschisten rund um Giorgia Meloni ein. „Viktor Orban im Gegensatz hat alle drei unserer Kriterien für Zusammenarbeit längst gerissen.“
Und was wird aus Norbert Lins selbst? Seit 2019 ist er Vorsitzender des EU-Agrarauschusses, ob er auf diesem Posten bleiben kann, weiß er noch nicht. „Ich kann mir vorstellen, das weiterzumachen“, sagt er.
Hinter der Posten-Vergabe stehe aber ein kompliziertes Verfahren innerhalb und außerhalb der Fraktion. „Es ist nicht so, dass einfach der Ausschuss zusammentritt und jemanden, der gute Arbeit gemacht hat, wiederwählt.“ Traditionell spielt in Brüssel neben dem Parteien- auch der Länderproporz eine große Rolle.
© Schwäbische Zeitung, Ausgabe Ravensburg vom 10.6.2024